17 Mayıs 2020 Pazar

Haus ohne Hoffnung (3)

5

Kurz nach 21 Uhr kommt Müller in Friedrichshausen an. Der Taxifahrer blickt erstaunt in den Rückspiegel, als der Detektiv als Fahrziel das Asylheim angibt. Müller schaut aus dem Fenster. Friedrichshausen. Eine typische deutsche Kleinstadt. Alter Bahnhof, Anfang des Jahrhunderts. Im Zentrum ein grosses Backsteingebäude, das Rathaus. Moderne Betonkaufhäuser, Geschäfte, Fussgängerzone. Weiter, Richtung Stadtrand, Wohnblöcke, dann Einfamilienhäuser, eines neben dem anderen, alle gleich.

Das Taxi biegt von der Hauptstrasse ab in einen Kiesweg. Brauner Schneematsch liegt am Strassenrand.
"Hier komme ich nicht weiter", sagt der Taxifahrer und deutet auf die parkenden Autos.
"Und wo ist das Heim?", fragt Müller.
"Gleich da vorne, wo die Leute sind", antwortet der Fahrer. Müller bezahlt, nimmt seine kleine Reisetasche und geht auf die Villa zu. Viele Schaulustige stehen herum. Jugendliche mit kahl geschorenen Köpfen, aber auch ältere Bürger rufen ausländerfeindliche Parolen. Müller ist schockiert. 'Alte und junge Nazis glücklich vereint', denkt er. Als er durch die Gruppe will, um zum Haus zu kommen, stösst ihn ein Jugendlicher mit schwarzer Bomberjacke an.
"Hey, willst wohl zu den Asylantenschweinen? Bist wohl auch so ein Volksverräter?" Die Gruppe schaut ihn feindselig an. Müller sagt nichts und geht zum Haus.

"Mensch, Helmut! Danke, dass du gekommen bist." Haube begrüsst seinen alten Freund. Sie gehen zusammen ins Büro des Heims. Im Flur steht eine Gruppe von Männern. "Die meisten hier im Heim sind Kurden", erklärt Gernot. "Die Leute haben Angst. Die Stimmung in der Stadt wird immer schlimme. Alle haben Angst vor einem neuen Anschlag. Und morgen ist die Beerdigung von dem Jungen."
"Und was ist mit Samadi? Ist er wieder aufgetaucht?"
"Nein. Ich weich auch nicht, wo der steckt." Haube ist resigniert. "Wenn ihn die Glatzen erwischen, bringen sie ihn um."
"Du meint diese Skinheads?" Müller deutet aus dem Fenster.
"Ja. In einer Stunde fahren wir nach Hause. Dann kommt die Nachtschicht. Wir bewachen das Heim jetzt rund um die Uhr. Gott sei Dank gibt es in dieser Stadt nicht nur rechtsradikale Jugendliche und alte Nazis. Wir haben viele Freiwillige, die uns helfen und sich um die Asylbewerber kümmern."

7

"Kaffee oder Tee?", ruft Ingrid Haube aus der Küche.
Müller sitzt am Frühstücktisch. "Am liebsten Kaffee!" Gernot Haube kommt ins Esszimmer und liest die Titelseite des 'Freidrichshausener Tageblatts'. "Schau, die heutige Schlagzeile: 'Der Mörder ist immer noch frei!' Das ist Journalismus vonder schlimmsten Art."
"Zeig mal", sagt Müller und greift nach der Zeitung. Da fällt ein kleiner Zettel heraus, der zwischen den Seiten gesteckt hat.
"Was ist das? Ein Brief für dich, Gernot."
"Nicht möglich, die Post kommt immer erst gegen 11 Uhr. Lass mal sehen!"

Mit ausgeschnittenen Buchstaben ist der Satz auf den Zettel geklebt.
"Sehr merkwürdig!", rätselt Haube.
"Aber eine gute Nachricht, meinst du nicht?" Müller betrachtet die anonyme Botschaft. "Immerhin heisst das, dass wir einen unbekannen Freund auf der anderen Seite haben. Einen, der etwas weiss, aber wohl ziemlich viel Angst hat."
"Schon, aber das hilft uns auch nicht viel." Haube betrachtet noch einmal den Zettel.
"Wer ist eigentlich dieser Ahmad Samadi?", unterbricht Müller das Schweigen.

"Der Junge ist in Ordnung. Er hat garantiert nichts mit dem Mord zu tun. Er lebt seit etwa einem halben Jahr hier. Er hat mir oft als Dolmetscher geholfen. Er spricht ziemlich gut Deutsch und hat auch schnell Freunde in der Stadt gefunden. Ich habe keine Ahnung, warum er verschwunden ist."
"Und wie alt ist er?"
"Ahmad, ja, so etwa 18 Jahre."
"Und der tote Junge"
"Klaus Biederstett ist, äh, war etwa im gleichen Alter."
"Glaubst du, die beiden haben sich gekannt?"
"Tja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Schon möglich. Wie gesagt, Ahmad hatte Freunde in der Stadt. Vielleicht kannten sie sich vom Jugendzentrum oder aus der Disko."
"Und den Klaus Biederstett, kanntest du den auch?"
"Nein, nicht persönlich. Die Leute von der Kirchengemeinde haben ihn als ziemlich schüchtern beschrieben. Er ist immer mit den Skinheads mitgelaufen."
"Mit den Skinheads? Vielleicht liegt da ein Motiv."
Haube schaut den Detektiv skeptisch an. "Glaubst du etwa auch, der Ahmad...?"
"Quatsch, Gernot, ich denke nur laut. Recherchieren heisst, alle möglichkeiten in Betracht ziehen..."

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